Ein lokaler Markt namens Asa-ichi
Amitie ist ein Laden mitten in Amino, wo sämtliche, in Kyotango hergestellten Produkte angeboten werden. Wir sind bestimmt schon über hundert Mal im Amitie gewesen. Zu unserer Überraschung erzählte uns Noriko, die Futonherstellerin, dass vor dem Amitie jeweils am Sonntag der Asa-ichi, ein Markt mit lokalen Süssigkeiten stattfindet. Wir waren verblüfft, weil wir dachten, dass wir schon alles in Amino kannten. Zuhause erzählten wir Grossmutter, die gerade daran war, ihre Hosen zu flicken, dass wir am kommenden Sonntag an einen lokalen Markt in Amino gehen würden. Ihr meint bestimmt Asa-ichi, sagte sie und dass sie schon oft hinging, ihr es aber im Moment zu heiss sei. Da wir uns für alles lokale und Handgemachte interessieren und sie schon oft mit lästigen Fragen belästigten, wunderten wir uns, weshalb sie uns nicht schon früher vom Markt erzählte, liessen sie jedoch weiter in Ruhe ihre Hosen flicken.

Der Markt, der nach 10 Minuten ausverkauft ist
Die Öffnungszeiten des Asa-ichi sind von 8-10 Uhr, erfuhren wir von der netten Verkäuferin des Amitie. Als wir am Sonntag um 8.10 beim Asa-ichi ankamen, sahen wir viele ältere Menschen aus Amino, die jedoch alle bereits im Begriff waren, den Markt zu verlassen. Als wir zu den Ständen kamen, war bereits praktisch alles ausverkauft. Sie würden zwar noch bis 10 Uhr bleiben, sagte uns eine Frau, die jeden Sonntag mit ihrem Mann herkommt und aus eigenem Reis und eigenen Bohnen Mochi zum Verkauf anbietet. Doch komme nach 8.10 eigentlich niemand mehr.



Heiwayaki und ein herziges Gesicht
Meine Schwester interessierte sich vor allem für die Kya-mochi, welche sie noch nie zuvor gesehen hatte und sogleich mit der älteren Frau einen Termin vereinbarte, um das Handwerk zu lernen. Was für ein Glück sie hat, dachte ich und graste die restlichen Stände ab, ob sich wohl auch etwas für mich findet?
Ganz am Ende des Marktes (es sind vielleicht fünf Stände) Stand eine alte Frau vor einer weissen Styropor Schachtel, neben der eine Liste mit Preisen stand.
1 Stück 130 yen
2 Stück 160 yen
3 Stück 390 yen usw.
Die ältere Frau meinte, das seien besonders feine Heiwayaki und dass sie mein Gesicht kawaii fände. Ich war tatsächlich geschmeichelt, da mir schon gesagt wurde, mein Erscheinungsbild sei kowai (unheimlich).

Eine Frau hinter mir sagte, die Heiwayaki seien wirklich besonders lecker und dass die Frau in Kyoto bei einem Okashiya (Süssigkeitenhersteller) ihr Handwerk lernte. Also bestellte ich drei Stück und kriegte ein Heiwayaki dazu geschenkt – so ein Glück, dachte ich, ist mein Gesicht kawaii.

1000 missglückte Versuche
Als ich in das Heiwayaki biss, wusste ich sofort, dass ich dieses Meisterwerk bis an mein Lebensende sowohl in Zürich, als auch in Japan essen möchte. Es war die fabelhafte Kombination aus süssem Anko und leichtem Teig, der mich an die Omletten meiner Schweizer Grossmutter erinnerte. Auch das Gefühl, welches ich nach dem zuerst genüsslichen, dann gierigen Verzehr des Gebäcks hatte, blieb leicht. Ich wusste, wenn ich nicht lernen würde, wie ich Heiwayaki selber herstellen kann, werde ich Zuhause in Zürich nie mehr glücklich sein. Und so begann die beschwerliche Reise, mit über 1000 missglückten Versuchen, die Heiwayaki selber herzustellen.


Anko - Bohnenpaste aus Azuki
Zuerst musste ich lernen, wie man die Füllung, die rote Bohnenpaste namens Anko macht. Ich wusste, das würde einfach, weil ich von Yaechan (unserer Grosstante) schon oft mit Anko gefüllte Mochi bekam. Ich lief über die Strasse in Yaechans Genkan und bat sie, mir zu zeigen wie man Anko macht. Am folgenden Tag zeigte Sie mir den aufwändigen Prozess und schickte mich dann nach Hause, weil sie ein Buch fertig lesen wollte. Am folgenden Tag machte ich selber Anko während neben mir Obachan einem Botcho (Kawahagi, Fisch der vor allem für seine leckeren Innereien bekannt ist) den Kopf abhakte. Ich fand das nicht gerade passend, sagte jedoch nichts. Den fertigen Anko brachte ich Yaechan und sie befand ihn für gut.

Heiwayaki - der erste missglückte Versuch
Am folgenden Sonntag gingen wir wieder an den Asa-ichi. Da meine Schwester sofort mit der Mochi-Frau Kontakt knüpfen konnte, dachte ich, ich werde es bei der Heiwayaki-Frau auch versuchen. Ich übte mir einen schönen Satz ein und fragte mit hoher Stimme, ob ich einmal bei der Produktion der Heiwayaki zuschauen könne. Die Frau erschrak über meine Frage, warf die Arme in die Luft zu einem Kreuz und sagte, das geht nicht. Trotzdem kriegte ich ein Heiwayaki geschenkt.
Dann nicht, dachte ich mir und bestellte mir Zuhause ein Pfännchen mir runden Aussparungen. Weil die Pfanne nicht mit unserem Induktionsherd funktionierte, musste ich die Heiwayaki über dem Gaskonro kochen – und das bei einer Aussentemperatur von 35 Grad. Die ersten Heiwayaki wurden weiss und schmeckten nicht. Obachan fand, es wäre schade um den Anko.


Neuer Angestellter, neues Glück
Da ich zu dieser Zeit in einem Restaurant in Mineyama arbeitete, fragte ich meinen Master, wie ich wohl am besten an das Rezept der Heiwayaki kommen würde. Er meinte, du darfst drei Mal fragen und wenn du das dritte Mal abgewiesen wirst, ist es endgültig. Er fügte noch hinzu, dass ich besser Takoyaki in der Schweiz anbieten solle, da dies bestimmt ein Hit werden würde. Takoyaki oishiiyo!
Am nächsten Sonntag war zu meinem erstaunen die alte Frau nicht am Asa-ichi. Stattdessen ein Junger Mann, der fleissig die Heiwayaki für die KundInnen einpackte. Ich dachte, dass ich meine Strategie ändern muss und fragte, ob die Heiwayaki Eier oder Milch enthalten würden. Er verneinte. Meine Schwester wollte noch weitergehen und fragte, woher dieser feine Duft der Heiwayaki komme, ob das ein spezieller Teig sei. Der Junge Mann erschrak und sagte, das komme bestimmt nicht von den Heiwayaki, der Gestank ist von irgendeiner Fabrik in der Nähe aber nicht von dem Gebäck. Meine Schwester wollte sich noch erklären, weil “Nioi” Geschmack und Gestank bedeuten kann, doch es war aussichtlos.
Der Erfolg nach 1.5 Jahren
Zuhause wusste ich nun, dass die Heiwayaki ohne tierische Produkte gemacht wurden, was mich ausserordentlich freute. Ich versuchte viele verschiedene Mehle und Verhältnisse doch es wollte mir nicht gelingen. Immer fehlte etwas. In der Schweiz an Weihnachten machte ich Heiwayaki – vielen gefiel das Gebäck, ausser mir. Als ich nach einem Jahr wieder in Japan war und ein Heiwayaki des Asa-ichi probierte, merkte ich, dass ich noch meilenweit davon entfernt war. Ich war frustriert und wollte aufgeben.
In der Schweiz fragte mich einmal ein Freund, wann es wieder Heiwayaki (er sprach es komplett falsch aus) gibt. Das motivierte mich, weiter zu machen und als ich einmal auf meinem Handy ein Foto eines Heiwayaki entdeckte, welches ich eine Woche zuvor herstellte, verspürte ich plötzlich eine so grosse Lust, eines meiner eigenen Heiwayaki zu essen. Da wusste ich, nun ist es soweit, du hast dein eigenes Heiwayaki kreiert, welches du essen möchtest und ich war glücklich.


Heiwayaki im Suetsugu Haus in Zürich
Die Heiwayaki sind in einer limitierten Anzahl jeden Samstag von 12 – 17h (ausser Ferien) im Suetsugu Haus an der Friedaustrasse 3 erhältlich. Reservationen können auch entgegengenommen werden.
Die Heiwayaki werden, gleich wie am Asaichi in einer Styroporschachtel warmgehalten.
Tango ist berühmt für seine Kani (Krebse) die in der Wintersaison in jedem Ryokan angeboten werden. Viele KundInnen reisen mit dem Zug an. Am Bahnhof Amino habe ich viele Touristinnen gesehen, die auf dem Rückweg diese blaue Styroporschachtel gefüllt mit delikatem Kani mit sich trugen. Sie sahen immer sehr glücklich aus, weshalb ich dachte, dass die blaue Box gefüllt mit Heiwayaki allenfalls unsere KundInnen auch glücklich macht.
